Als Kreis aufklären und schulen: Modellregion Ostholstein

Ende 2016 ist die EU-Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen in Kraft getreten.

Wie können Kommunen dieser Herausforderung begegnen? Vielen Gemeinden oder kommunalen Institutionen stehen nur begrenzte Mittel für die Entwicklung und Pflege ihres Internetauftritts zur Verfügung. Die Frage ist also: Wie können die Anforderungen an Barrierefreiheit effizient und kostengünstig umgesetzt werden?

Die Kooperation Kreis Ostholstein und das Projekt BIK für Alle

Der Kreis Ostholstein ist bereits seit 2006 mit der guten Zugänglichkeit seines Internetauftritts, dem Ostholsteinportal, befasst. In seinem Aktionsplan zur Inklusion hat der Kreis das Ziel eines barrierefreien Zugangs zu Information und Kommunikation festgeschrieben.

Im November 2016 vereinbarten der Kreis Ostholstein und BIK für Alle ihre Zusammenarbeit. Gemeinsam sollte erprobt werden, wie barrierefreies Internet auf kommunaler Ebene vorangebracht werden kann. Dabei entstanden folgende Fragen:

  • Wie können dem Kreis angehörende Kommunen und Einrichtungen für barrierefreies Internet sensibilisiert werden?
  • Welche Akteure auf kommunaler Ebene müssen einbezogen werden?
  • Welche Unterstützungsangebote sind sinnvoll und notwendig?
  • Welche Verfahren zur kostengünstigen Umsetzung und Prüfung von Barrierefreiheit eignen sich? Ist z.B. die Verwendung eines gemeinsamen Content Management Systems, das barrierefreie Internetseiten erzeugt, möglich?

Welche Maßnahmen wurden durchgeführt?

Im Jahr 2017 wurde mit der Umsetzung begonnen. Die Stabsstelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kreises und BIK für Alle beschlossen, Informationsveranstaltungen auszurichten, um mit den angeschlossenen Kommunen und Einrichtungen ins Gespräch zu kommen und diese für das Thema zu sensibilisieren.

Durchgeführt wurden zwei Veranstaltungen: Eine eintägige Tagung zur Einführung in das Thema und ein halbtätiger Workshop für Webredakteure.

Für die erste einführende Veranstaltung wurden eingeladen:

  • Kommunen (Webverantwortliche und -redakteure, Medien- und Kommunikationsbeauftragte, Fachreferenten)
  • Seniorenbeiräte
  • Behindertenbeauftragte
  • Kreisverwaltung Ostholstein
  • Dienstleister / CMS-Anbieter, die für Webauftritte verantwortlich sind

Nach einer Begrüßung des Landrates klärten die Mitarbeiterinnen von BIK für Alle über grundsätzliche Fragen auf:

  • Wie sehen die neuen gesetzlichen Anforderungen aus?
  • Warum ist Barrierefreiheit wichtig und wer profitiert davon?
  • Wie sehen die Anforderungen an die barrierefreie Webgestaltung aus?
  • Wie setzt man Barrierefreiheit kostengünstig und effizient um?

Abschließend hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, an Aktiv-Stationen selbst zu erfahren, wie Menschen mit Behinderung, z.B. mit Seheinschränkungen, das Internet nutzen.

Die zweite Veranstaltung richtete sich speziell an Webentwickler und -redakteure. Diese erfuhren in einem praxisnahen Workshop, was sie bei der Einpflege von Inhalten für Barrierefreiheit tun können.

Öffentlichkeitsarbeit

Auf dem Portal www.kreis-oh.de wurde eine Seite über BIK für Alle und das Thema 'Barrierefreies Internet' angelegt. Auch hier wurden die Veranstaltungen beworben. Aktuell werden auf der Webseite Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt, etwa die Präsentationen der Veranstaltungen, Texte und Verlinkungen zu den Leitfäden von BIK für Alle.

Zur ersten Veranstaltung wurde eine Pressemitteilung erstellt, die regionale Presse führte Interviews durch und berichtete über die Veranstaltung.

Wie sind Kommunen auf die Herausforderung barrierefreies Web vorbereitet? - Ergebnisse aus dem Kreis Ostholstein

Durch den Informationsaustausch mit den Vertretern der Kommunen wurde deutlich:

  • Die anwesenden Kommunen beauftragen Agenturen / Dienstleister zur Erstellung der Webauftritte. Nur in einer Schule wird der Webauftritt komplett selbst entwickelt.
  • Viele Webseiten-Verantwortliche übernehmen die Datenpflege zusätzlich zu ihren Hauptaufgaben. Die zeitlichen Ressourcen für die Beschäftigung mit dem Thema Barrierefreiheit sind entsprechend gering.
  • Barrierefreiheit ist für einige Webseiten-Verantwortliche Neuland, andere hatten sich bereits damit beschäftigt. Nur wenige sind überzeugt, dass ihre Angebote schon weitgehend barrierefrei sind.
  • Auch die anwesenden Dienstleister / Webagenturen sind unterschiedlich auf die Umsetzung von barrierefreiem Webdesign vorbereitet. Einige gaben an, bereits barrierefreie Seiten zu entwickeln, während andere gerade beginnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Diskutiert wurde die Nutzung eines gemeinsamen CMS und vorgefertigter Module / Seitentypen, um die Barrierefreiheit von Webangeboten weitgehend sicher zu stellen. Dieser Vorschlag wurde von den teilnehmenden Kommunen und Einrichtungen nicht befürwortet. Lokale und regionale Besonderheiten  sollen auch über den Internetauftritt vermittelt werden, die individuelle Gestaltung des Angebotes steht also im Vordergrund.

Ergebnis-Transfer: Was können übergeordnete Stellen/Interessenvertreter (Landesverwaltungen, Kreise, Verbände) leisten?

Information und Aufklärung

Informieren Sie Kommunen und ihre Einrichtungen rechtzeitig über die gesetzlichen Anforderungen und terminlichen Fristen der EU-Richtlinie. Wird Barrierefreiheit bei der Neuentwicklung oder dem Relaunch eines Webauftritts mitbedacht, ist die Umsetzung in der Regel kostengünstiger als bei der Umarbeitung bestehende Seiten. Ein längerer Planungszeitraum zur Umsetzung der Richtlinie kann deshalb sinnvoll sein.

Unterstützen Sie öffentliche Webanbieter in der organisatorischen und technischen Umsetzung barrierefreier Webauftritte. In Informationsveranstaltungen oder Seminaren kann über die wichtigsten Eckpunkte und Stellschrauben aufgeklärt werden. Wenn Sie nicht selbst über das notwendige Know-how verfügen, kann der Einbezug von Experten notwendig sein:

  • Mit dem BITV-Test-Verbund, der in früheren BIK-Projekten ins Leben gerufen wurde, stehen deutschlandweit Experten für barrierefreies Webdesign zur Verfügung. Die Prüfstellen des Verbunds setzen sich vorwiegend aus Webagenturen und Organisationen der Selbsthilfe zusammen. Sie führen den BITV-Test durch, vergeben das Prüfsiegel für barrierefreies Webdesign und bieten Seminare an.
  • Daneben gibt es diverse Einzelpersonen und Agenturen, die zu dem Thema beraten und informieren.
  • Behinderte Menschen sind Experten in eigener Sache. Entsprechend können auch die Interessenvertretungen behinderter Menschen eingebunden werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Anforderungen an barrierefreie Webgestaltung Nutzergruppen mit sehr unterschiedlichen Einschränkungen betreffen. Um sicher zu stellen, dass alle Anforderungen berücksichtigt werden, ist es sinnvoll, sich an dem internationalen Standard WCAG zu orientieren, auf den auch die EU-Richtlinie Bezug nimmt.

Unterstützend bietet das Projekt BIK für Alle Leitfäden und Webinare für Webverantwortliche, Redakeure und Webagenturen an.

CMS und Webmodule anbieten, die die Barrierefreiheit unterstützen

Um die Barrierefreiheit von Webauftritten des Bundes zu gewährleisten, sind Bundesbehörden verpflichtet, ein zentrales Content-Management-System (CMS), den Government Side Builder (GSB), zu nutzen. Durch die Verwendung des GSB ist sichergestellt, dass viele Anforderungen an Barrierefreiheit automatisch erfüllt werden. Im Anschluss müssen „nur“ noch die Redakteure, die die Webinhalte einpflegen, auf Barrierefreiheit achten.

Ein ähnliches Modell ist auch auf kommunaler Ebene denkbar. Bereits heute bieten Länder, Kreise oder Rechenzentren den angeschlossenen Gemeinden und Einrichtungen CMS und Vorlagen zur Entwicklung ihrer Webauftritte an. Wird bereits hier auf Barrierefreiheit geachtet, kann die gute Zugänglichkeit der kommunalen Webauftritte weitgehend sichergestellt werden. Berücksichtigt werden muss dabei allerdings der Wunsch der Gemeinden, Städten und Einrichtungen nach einem individuellen Webdesign. Werden zur Entwicklung dieses Designs Agenturen eingesetzt, müssen auch Sie die Anforderungen an Barrierefreiheit kennen und erfüllen.

Was kann jede einzelne öffentliche Stelle tun?

Webverantwortliche stärken

Information und Kommunikation über das Internet wird immer wichtiger. Auch Verwaltungsdienstleistungen sollen zunehmend über das Internet angeboten werden. Die barrierefreie Umsetzung dieser Angebote ist eine zusätzliche Herausforderung für Webverantwortliche und Redakteure. Auf kommunaler Ebene sollten die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden.

Barrierefreiheit planen und organisieren

Informationen zur Organisation und Planung barrierefreier Webauftritte sowie zur Ausschreibung bzw. Beauftragung eines technischen Dienstleisters / Agentur finden Sie in dem BIK-für-Alle-Leitfaden für Webseiten-Anbieter.

Für einen Teil der Barrierefreiheits-Anforderungen sind die Webredakteure, die Inhalte einpflegen, zuständig. Welche Anforderungen hier zu berücksichtigen sind, zeigt der BIK-für-Alle-Leitfaden: Webinhalte barrierefrei pflegen.

Online-Videos unserer dreiteiligen Webinar-Reihe zu barrierefreiem Webdesign: Webinar-Reihe zu barrierefreiem Webdesign.