Gesetzgebung und Standards

Wichtige Standards: Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und Europäische Norm 301 549

Die WCAG sind der weltweit gültige Standard für barrierefreies Webdesign, der von einer Arbeitsgruppe des World Wide Web Consortiums (W3C) entwickelt und stetig weiterentwickelt wird. Im Juni 2018 wurde WCAG 2.1, im Oktober 2023 WCAG 2.2 als W3C Recommendation (Web Standard) veröffentlicht.

Aktuell ist noch WCAG 2.1 Bestandteil der geltenden harmonisierten Europäischen Norm EN 301 549 V3.2.1 (PDF, 2,17 MB). Diese Norm gibt die Erfolgskriterien der WCAG 2.1 einschließlich ihrer Konformitätsbedingungen im Abschnitt 9 (Web) wieder. Die Norm wird aktuell für die Umsetzung des European Accessibility Acts überarbeitet (siehe M/587). Im Rahmen dieser Revision soll sie auch auf WCAG 2.2 aktualisiert werden. Der Zeitplan lässt jedoch erwarten, dass die Veröffentlichung der neuen EN 301 549 im Amtsblatt der Europäischen Union erst Ende 2025 / Anfang 2026 stattfindet. Erst damit wird die Norm zur „harmonisierten Norm“ und damit für Webseitenanbieter, die über Bundes- oder Landesgesetze harmonisierten Normen verpflichtet sind, bindend.

Rechtsetzungen in Europa und Deutschland verweisen auf EN 301 549, etwa die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung BITV 2.0, die am 25. Mai 2019 in Kraft getreten ist. Die Begründung zur aktuellen BITV-Überarbeitung (PDF, 500 KB, nicht barrierefrei) wurde am 29. Mai 2019 im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Deutsche Gesetzgebung

Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung

Behörden der Bundesverwaltung werden durch das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) verpflichtet, ihre Internetauftritte barrierefrei zu gestalten. Mit der Novellierung des BGG im Jahr 2016 sind Regelungen für ein barrierefreies Intranet hinzu gekommen. Im Juli 2018 wurde es zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2102 nochmals angepasst. Folgende Änderungen sind in Kraft getreten:

  • Anwendungsbereich auf öffentliche Stellen des Bundes erweitert (§ 12 BGG)
  • Anpassung von Internet und Intranet zum einheitlichen Begriff „Websites“
  • Streichung der unbestimmten „schrittweisen“ Umsetzung – die Anforderungen gelten jetzt unmittelbar
  • Regelung zur Barrierefreiheit elektronisch unterstützter Verwaltungsabläufe ab 2021
  • Ausnahmeregelung für den Fall der unverhältnismäßigen Belastung
  • Pflicht zur Erstellung einer Erklärung zur Barrierefreiheit mit Feedbackmechanismus
  • Errichtung einer Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) als eigenständige, unabhängige Abteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 13 BGG)
  • Durchsetzungsverfahren bei der Schlichtungsstelle, angesiedelt seit 2016 beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

Welche Anforderungen gelten, ist in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) definiert. Die BITV 2.0 verweist auf die Vorgaben der jeweils geltenden EN 301 549. Derzeit gilt demnach die EN 301 549 V3.2.1 (2021-03) (PDF, 2,17 MB), die im Augut 2021 im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht wurde. Eine deutschsprachige Version kann nach Registrierung bei der BFIT-Bund heruntergeladen werden.

Landesgesetze zu barrierefreier Informationstechnik gemäß EU-Richtlinie 2102

Für öffentliche Stellen von Bundesländern und Kommunen wird Barrierefreiheit im Netz über Landesgesetze und ggf. länderspezifische Verordnungen geregelt, nämlich:

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Die EU-Richtlinie zu Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen hat das Ziel, auch bestimmte privatwirtschaftliche Anbieter zu barrierefreien Angeboten zu verpflichten. In Deutschland wurde die EU-Richtlinie durch das im Juli 2021 verkündete Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (BFSG) (kurz: Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) und die im Juni 2022 verkündete Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) umgesetzt.

Was wissen wir bereits über das BFSG? Was definiert es für Websites und Apps?

  • Anwendungsbereich: Websites und Apps fallen in den unter § 1 BFSG genannten Anwendungsbereich "Dienstleistungen, die für Verbraucher erbracht werden" und müssen barrierefrei gestaltet werden. Doch nicht alle privatwirtschaftlichen Websites und Apps sind eingeschlossen: Es werden konkrete Branchen aufgezählt, etwa der Online-Handel, Banken, bestimmte Personenbeförderungs- oder Mediendienste.
  • Umsetzungsfristen: Websites und Apps mit Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich fallen, müssen ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei erbracht werden.
  • Barrierefreiheits-Anforderungen: Für Websites und Apps gilt die EN 301 549 V3.2.1 (PDF, 2,17 MB). Sie ist die für Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geltende harmonisierte Norm zu „Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienste“.
  • Pflichten für Wirtschaftsakteure: Anbieter müssen sich proaktiv darum kümmern, die vom BFSG genannten Dienstleistung ab Juni 2025 nur noch barrierefrei zu erbringen. Zudem müssen sie zu ihren Dienstleistungen - in der Regel in der Website oder App - eine Art „Erklärung zur Barrierefreiheit“ (hier: Information nach „Anlage 3“) mit Erläuterungen zu den gesetzlichen Anforderungen, zur Dienstleistung und ihren Barrierefreiheitsmerkmalen sowie zur zuständigen Marktüberwachungsbehörde veröffentlichen. Nicht-Konformität muss den Marktüberwachungsbehörden gemeldet werden.
  • Überwachung: Die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten wird überwacht, und zwar sowohl ohne Anlass (stichprobenartig durch die Überwachungsbehörde) also auch anlassbezogen (damit erhalten Verbraucher*innen und anerkannte Stellen Instrumente, um Wirtschaftsakteure, die sich nicht um die Barrierefreiheit kümmern, zur Verantwortung zu ziehen). Die Nicht-Erfüllung der Pflicht zur Barrierefreiheit kann bis zur Einstellung der Dienstleistung führen.

Einen ausführlichen Artikel zum "European Accessibility Act" und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz finden Sie auf bitvtest.de: Der „European Accessibility Act“ und die Umsetzung in Deutschland.

Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts und Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge

Das 2016 verabschiedete Vergaberecht gilt für Aufträge, die europaweit ausgeschrieben werden müssen (z.B. gilt für Liefer- und Dienstleistungsaufträge ein Schwellenwert von 209.000 Euro).

Das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (Auszug aus dem Bundesanzeiger, PDF-nicht barrierefrei) sieht die Forderung nach Barrierefreiheit als ein Kriterium der Leistungsbeschreibung vor: „Bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, sind bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen“ (§ 121, Abschnitt 2).

Die Zugänglichkeit der Leistung, insbesondere für Menschen mit Behinderung, kann zudem mögliches Zuschlagskriterium sein (siehe Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, § 58 Zuschlag und Zuschlagskriterien).

Schließlich werden öffentliche Auftraggeber angehalten, auch das Vergabeverfahren barrierefrei zu gestalten. In § 11 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge bezieht man sich zur genaueren Definition von Barrierefreiheit auf das Behindertengleichstellungsgesetz (2002) in der jeweils geltenden Fassung. Danach sind die genauen Anforderungen in der BITV 2.0 definiert.

EU-Gesetzgebung

EU-Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Webseiten und Apps des öffentlichen Sektors

Die EU-Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen verpflichtet EU-weit öffentliche Stellen - also Verwaltungen, aber auch beispielsweise Gerichte, Polizeistellen, öffentliche Krankenhäuser, Universitäten oder Bibliotheken - zu barrierefreien Internetseiten und Apps. Damit ist in Deutschland Barrierefreiheit für öffentliche Stellen auf allen Ebenen verpflichtend.

Die Rechtsetzung ist am 02.12.2016 unter dem Titel RICHTLINIE (EU) 2016/2102 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht worden. Nach dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie mussten die erforderlichen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis September 2018 erlassen werden.

Als Standard für Barrierefreiheit wird die europäische Norm EN 301 549 genannt. Im August 2021 hat die Kommission der Europäischen Union per Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1339 der Kommission vom 11. August 2021 zur Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/2048 über die harmonisierte Norm für Websites und mobile Anwendungen mit einer Übergangsfrist bis 12. Februar 2022 die EN 301 549 V3.2.1 (2021-03) (PDF, 2,17 MB) zum geltenden Standard erklärt. Zuvor galt EN 301 549 V2.1.2 (2018-08) (PDF, 1,86 MB), definiert durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2018/2048 der Kommission vom 20. Dezember 2018.

Auf ihren Webangeboten müssen öffentliche Stellen eine "Erklärung zur Barrierefreiheit“ publizieren und einen „Feedback-Mechanismus“ für Nutzer anbieten. Dazu hat die Kommission der EU Detailregelungen getroffen: Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 der Kommission vom 11. Oktober 2018 zur Festlegung einer Mustererklärung zur Barrierefreiheit gemäß der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.

Auch die Überwachungsmethodik für das Monitoring und die Modalitäten für das Berichtswesen hat die EU-Kommission geregelt: Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1524 der Kommission vom 11. Oktober 2018 zur Festlegung einer Überwachungsmethodik und der Modalitäten für die Berichterstattung der Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen

In unserer Rubrik "Kommunen und soziale Organisationen" finden Sie weitere Informationen zur EU-Richtlinie.

EU-Richtlinie zu Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen

Mit der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act) wurde ein Rechtsakt verabschiedet, der erstmals auch Wirtschaftsakteure zu Barrierefreiheit verpflichtet.

Die Richtlinie wurde am 7. Juni 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und muss bis spätestens 28. Juni 2022 in den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland wurde zur Umsetzung das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erlassen.