Barrierefreiheit als Unternehmen umsetzen: das Praxisbeispiel www.pfizer.de

„Als Gesundheitsunternehmen wollen wir uns dem Thema Barrierefreiheit im Internet verschreiben und es auch fördern.“ (Jutta Klauer)

Die Unternehmenswebseite des forschenden Pharmaunternehmens Pfizer Deutschland wurde im Mai 2016 BITV-Test-geprüft und erhielt mit 95,75 Punkten die Gesamtbewertung „sehr gut zugänglich“. Wir haben Jutta Klauer (Senior Managerin New Media) und Susanne Straetmans (Teamleiterin Externe Kommunikation) gefragt, wie der Umsetzungsprozess lief und welche Tipps sie anderen Unternehmen geben können.

Interview im Büro von Pfizer

Im Gespräch mit Jutta Klauer (rechts) und Susanne Straetmans.

Ausgangslage

Wie kamen Sie auf die Idee, den Internetauftritt barrierefrei zu gestalten?

Straetmans: Der Austausch mit Patientenorganisationen hat bei Pfizer Tradition. Daher kennen die Kollegen der Abteilung „Patient Relations“ und auch wir aus der Unternehmenskommunikation die Anforderungen von Menschen mit Einschränkungen an die Barrierefreiheit von Webangeboten. Bei Pfizer gibt es dazu sogar eine freiwillige Verpflichtung. Daher war Barrierefreiheit schon bei früheren Webprojekten Thema und wurde auch wieder eingebracht, als die Modernisierung unserer Unternehmenswebseite anstand.

Wie sind Sie planerisch vorgegangen?

Klauer: Barrierefreiheit steht bei uns in der Ausschreibung, allerdings als allgemein gehaltene Forderung. Aus einer früheren Tätigkeit kannte ich die BITV als Richtschnur für barrierefreies Webdesign für Ministerien und auch den BITV-Test. Von daher war schnell klar: Wir wollen in einem BITV-Test mindestens 90 Punkte erreichen und ein Prüfsiegel bekommen. Das Ziel kannte auch unsere Online-Agentur Publicis Pixelpark Berlin.

Umsetzung

Wie lief der Prozess der Umsetzung von barrierefreiem Webdesign?

Klauer: Wir hatten uns das 90plus-Ziel gesetzt. Der BITV-Test hat uns daher durch den Umsetzungsprozess begleitet und uns immer wieder gezeigt, wo wir stehen und wo noch optimiert werden muss. Unsere Agentur hat ihn als Selbstbewertung durchgeführt. Später haben wir ihn als Expertentest von den BITV-Test-Prüfern des Prüfverbunds durchführen lassen. So haben wir uns Schritt für Schritt voran gearbeitet.

Welche Herausforderungen gab es?

Klauer: Mittendrin gab es einmal eine große Ernüchterung: Wir standen in einem Vorabtest ganz gut da, haben dann aber für mobile Endgeräte optimiert und ein großes TYPO3-Update gemacht. Wir dachten, beides würde ganz automatisch auch alle Anforderungen an die Barrierefreiheit des Angebots unterstützen. Dem war aber nicht so: Die responsive Ansicht, die bei starkem Zoom auch am Desktop-Rechner erscheint, kommt zwar seheingeschränkten Nutzern zu Gute, aber bei neuen Funktionalitäten, z.B. der mobilen Navigation, haben wir unbewusst Barrieren eingebaut.

Was hat Ihnen geholfen?

Straetmans: Nach dem Rückschlag haben wir ein strukturiertes Vorgehen entwickelt: Wir haben uns mit der Agentur den BITV-Test-Prüfbericht angesehen und – entsprechend des Aufwands der To-dos – einen Fahrplan entwickelt. Manches war ein Quick-Win; anderes musste längerfristiger angegangen werden. In ein oder zwei Fällen haben wir uns bewusst entschieden, mit einer „Barriere“ zu leben, etwa beim Beipackzettel, den es als PDF und zusätzlich als leider nicht komplett barrierefreies HTML gibt. Hier sind wir vom Input eines Dritt-Anbieters abhängig und haben uns entschieden, das HTML-Angebot beizubehalten.

Klauer: Ein Aha-Erlebnis war außerdem der Workshop mit BITV-Test-Prüferin Sonja Weckenmann. Alle Beteiligten von uns und der Agentur, vom Redakteur bis zum Techniker, waren eingebunden. Wir haben gemerkt, wie hilfreich es ist, ein klares Verständnis für Barrierefreiheit zu entwickeln und Unsicherheiten auszuräumen.

Sie haben das BIK-Prüfsiegel auf der Startseite Ihrer Website eingefügt – war das im Unternehmen problemlos durchzusetzen?

Straetmans: Wir waren stolz auf das sehr gute Ergebnis und haben viel Lob bekommen: Im Haus, aber auch von anderen Organisationen. Das BIK-Prüfsiegel haben wir sofort auf unserer Webseite eingebunden und den Erfolg über unsere Pressearbeit kommuniziert – wohlwissend, dass sich daraus auch eine Verpflichtung ergibt.

Gibt es eine Strategie, um Ihr Webangebot langfristig barrierefrei zu halten?

Klauer: Wir müssen am Ball bleiben und bei jeder Einpflege von Content darauf achten, dass die gute Zugänglichkeit nicht verwässert. Neue Mitarbeiter, für die Barrierefreiheit noch keine Selbstverständlichkeit ist, müssen informiert werden. Wir nutzen ein Redaktionshandbuch, das zeigt, wie die Anforderungen an Barrierefreiheit in unserem Content-Management-System umzusetzen sind. Was die Barrierefreiheit neuer Module betrifft: Auf pfizer.de haben wir bislang keine neuen Elemente integriert, aber auch hier haben wir Barrierefreiheit im Hinterkopf.

Fazit

Was können andere von Ihnen lernen?

  • Es war gut, Unterstützer im eigenen Unternehmen zu haben: Bei uns hier in Deutschland war das neben der Abteilung Patient Relations die Business Technology. Das Thema könnte auch die Personaler interessieren, als Thema für das Employer Branding. Und klar, in einem internationalen Konzern haben wir uns auch mit unseren ausländischen Kollegen ausgetauscht.
  • Wichtig war die systematische Herangehensweise: Mithilfe des BITV-Test-Prüfberichts haben wir eine Prioritätenliste entwickelt und abgearbeitet und so den bestmöglichen Einsatz der vorhandenen Mittel sichergestellt.
  • Hilfreich war die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Agentur: Der offene Austausch – auch wenn Unsicherheiten bestanden – und die gemeinsame Auseinandersetzung mit Barrierefreiheit beim Experten-Workshop hat uns alle vorangebracht.

Das Interview führte Simone Lerche am 8. August 2017.

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